Blubbern

Ein „Kinderspiel“

Blubbern ins Wasser klingt erst mal nach Kindergeburtstag und nicht nach ernsthaftem Training. Aber genau dieses einfache „Pfffff-blubb-blubb“ ist ein ziemlich smartes Tool für Atmung, Nervensystem und Fokus – und damit auch spannend für Freediver, Sportler und alle, die runterkommen wollen.

Diese folgenden Artikel dienen lediglich Informationszwecken. Für medizinische Beratung oder eine Diagnose solltest du dich an einen Experten wenden.

Blubbern

Ein Tool für Atmung, Nervensystem und Fokus

Blubbern im Wasser wirkt erstmal lustig. Kinderkram. Luft rein, Kopf runter, „blubb, blubb, blubb“. Von außen sieht das eher nach Spaßbad als nach ernsthaftem Training aus. Und genau da täuscht der Eindruck. Hinter diesen Luftblasen steckt ein ziemlich raffinierter Mix aus Atemtraining, Nervensystem-Hack und Wassererfahrung.

Die Idee ist schnell erklärt: Du atmest an der Luft ein und unter Wasser aus. Mehr passiert erst mal nicht. Der Unterschied liegt im Widerstand. Das Wasser bremst deine Ausatmung. Du kannst die Luft nicht einfach schlagartig rausfeuern, sondern musst sie kontrolliert und gleichmäßig loslassen. Das macht etwas mit deiner Lunge, mit deinem Kopf und mit deinem ganzen System.

Beim Ausatmen gegen das Wasser entsteht in deinen Atemwegen ein leichter Überdruck. Fachlich nennt man das „positiver Ausatemdruck“. Das klingt nach Lehrbuch, bedeutet aber etwas sehr Konkretes: Deine Bronchien bleiben beim Ausatmen länger offen. Die Luftwege klappen nicht so schnell zusammen, Schleim löst sich besser, die Luft fließt ruhiger. Viele Kliniken und Praxen arbeiten mit genau diesem Prinzip – nur eben mit Schläuchen und Flaschen statt mit Becken oder Badewanne.

Dazu kommt der Rhythmus. Blubbern im Wasser zwingt dich zu einer längeren Ausatmung. Wenn du zu schnell ausatmest, wird der Druck unangenehm, die Blasen sind unruhig, das Ganze fühlt sich hektisch an. Also regulierst du automatisch: weniger Druck, ruhigere Blasen, längere Ausatmung. Aus drei schnellen „pff“-Momenten wird ein gleichmäßiger Ausatemstrom, der sich über mehrere Sekunden zieht. Bei vielen Menschen ist das schon der Gamechanger: Zum ersten Mal seit langem atmen sie wirklich langsam aus, ohne ständig das Gefühl zu haben, „zu wenig Luft“ zu bekommen.
Genau an dieser Stelle schaltet sich dein Nervensystem ein. Kurze, flache Atmung signalisiert dem Körper Gefahr, Alarm, Stress. Lange, ruhige Ausatmung sendet das Gegenteil: Alles okay, runterfahren. Der Teil deines Nervensystems, der für Entspannung, Verdauung und Regeneration zuständig ist – der Parasympathikus – reagiert sehr empfindlich auf die Länge der Ausatmung. Je länger und gleichmäßiger du ausatmest, desto mehr übernimmt dieser „innere Ruhemodus“. Puls und Blutdruck können sinken, der Körper löst Spannung, der Kopf wird klarer.

Wasser verstärkt diesen Effekt. Sobald dein Gesicht im Wasser ist, wird ein uralter Reflex angestoßen: der Tauchreflex. Bei Menschen ist er nicht so krass wie bei Robben, aber er ist da. Kühle, nasse Haut im Gesicht sendet ein eindeutiges Signal an das Gehirn: Jetzt sparsam mit Sauerstoff umgehen. Die Herzfrequenz kann sinken, der Körper wird ökonomischer. Freediver nutzen das gezielt. Beim Blubbern bekommst du eine milde, sichere Variante davon – ohne tief zu tauchen oder den Atem anzuhalten.

Ein weiterer Baustein ist das Geräusch. Die Blasen klingen nicht nur lustig, sie geben dir ein direktes Feedback. Du hörst deinen Atem, du siehst die Blasen und spürst sie an Lippen oder Nase. Wenn die Blasen gleichmäßig rauskommen, weißt du: Dein Atem ist ruhig. Wenn du beginnst zu pressen, hört es sich härter, abgehackt, hektisch an. Dein Körper zeigt dir in Echtzeit, ob du entspannt atmest oder kämpfst. Das ist eine einfache Form von Biofeedback – ohne Technik, nur mit Wasser und Luft.

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Wie sieht das praktisch aus? Du stellst oder setzt dich bequem hin, vor eine Schüssel, ein Waschbecken, in die Badewanne oder an den Beckenrand. Du atmest an der Luft ein, durch die Nase, angenehm tief, aber ohne dich vollzustopfen. Dann senkst du das Gesicht ins Wasser und atmest langsam über Mund oder Nase aus, bis Blasen entstehen. Kein Pressen, kein „ich drück alles raus“, eher ein langes, weiches Ausatmen. Wenn sich die Lunge leer anfühlt, hebst du den Kopf wieder, atmest oben erneut ein – und gehst in die nächste Runde.

Viele kommen gut damit klar, wenn die Einatmung zum Beispiel drei bis vier Sekunden dauert und die Ausatmung sechs bis acht. Wichtig ist nicht die Zahl, sondern das Verhältnis: Die Ausatmung ist deutlich länger als die Einatmung. Zehn solcher Atemzüge am Stück können sich anfangs schon intensiv anfühlen. Danach kurz draußen bleiben, normal atmen, Körper checken – und dann in die nächste Serie gehen, wenn es gut passt.
Genau das lässt sich in den Alltag bauen. Vor einem Tauchgang, vor einem Lauf, nach einem stressigen Arbeitstag oder einfach abends, wenn der Kopf noch rattert. Am Waschbecken. Mit warmen oder auch kalten Wasser volllaufen lassen. Zwei bis drei Serien à zehn Atemzüge, dazwischen kleine Pausen, reichen oft, um das System spürbar umzuschalten. Schultern entspannt, Gesicht entspannt, die Gedanken werden langsamer. Viele merken nicht nur eine Veränderung in der Atmung, sondern auch im inneren Tonfall: weniger „Muss“, mehr „okay“.

Spannend wird es bei Menschen, die das Gefühl haben, nicht richtig durchatmen zu können. Die ständig nach mehr Luft greifen, aber nie das Gefühl von Sättigung bekommen. Oft liegt der Fokus zu sehr auf der Einatmung: „Mehr rein, noch mehr, noch tiefer.“ Blubbern dreht das um. Plötzlich geht es ums Loslassen. Du lässt die Luft raus, hörst und siehst, dass die Atmung funktioniert, und erlebst, dass die nächste Einatmung von allein kommt. Das kann Ängste nehmen und das Vertrauen in den eigenen Körper stärken – ganz ohne große Theorie.

Natürlich gibt es auch hier Grenzen. Wenn dir schwindelig wird, der Kopf drückt, Übelkeit oder Panik aufkommt, ist das ein klares Stoppsignal. Raus aus dem Wasser, hinsetzen, normal atmen. Kein Atemtraining der Welt ist wichtiger als ein klares Sicherheitsgefühl. Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, starkem Bluthochdruck oder schweren Lungenerkrankungen sollten solche Übungen grundsätzlich nur in Absprache mit Ärzt:innen oder Therapeut:innen angehen. Blubbern ist sanft, aber es arbeitet direkt an Atemwegen und Kreislauf.

Wer regelmäßig übt, erlebt oft einen interessanten Nebeneffekt: Wasser, Blubbergeräusch und lange Ausatmung werden zu einem Anker. Schon der erste Kontakt mit dem Wasser kann reichen, um den Körper in Richtung Ruhe zu schieben. Das System erinnert sich: „Ah, das kenne ich. Hier geht es nach unten, nicht nach oben.“ Aus einem vermeintlichen Kinderspiel wird ein ernstzunehmendes Werkzeug – für Freediver, Sportlerinnen, Menschen mit Atemproblemen und alle, die lernen wollen, ihren inneren Lärm leiser zu drehen.

Am Ende bleibt ein simples Bild: Blubbern im Wasser ist kein alberner Zeitvertreib, sondern feine Arbeit an Atemmuskeln, Lunge und Nervensystem. Es braucht kein Hightech, keine App, kein Studio. Nur Wasser, Luft, ein bisschen Neugier – und die Bereitschaft, für ein paar Minuten nichts anderes zu tun, als ruhig auszuatmen und den Blasen zuzuhören. Wenn du diesen Moment zulässt, beginnt genau dort oft etwas, das weit über ein paar Luftblasen hinausgeht.

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