Myoglobin

Sauerstoff im Muskel

Hämoglobin kennst du: Es sitzt in den roten Blutkörperchen. Es nimmt in der Lunge Sauerstoff auf und bringt ihn über den Blutkreislauf in den ganzen Körper.

Myoglobin arbeitet an einem anderen Ort. Es steckt fast nur in den Muskeln. Vor allem im Herzmuskel und in den Muskeln, die viel arbeiten. Es ist ein Eiweiß, das Sauerstoff binden kann – ähnlich wie Hämoglobin, aber einfacher gebaut.

An dieser Stelle schauen wir uns mal an, wie sich Myoglobin von Hämoglobin unterscheidet, was beide verbindet – und was das für deinen Körper bedeutet.

Diese folgenden Artikel dienen lediglich Informationszwecken. Für medizinische Beratung oder eine Diagnose solltest du dich an einen Experten wenden.

Vom Sprint bis zum Apnoetauchgang

Sauerstoffdepot für die entscheidenden Momente

Wenn es um Sauerstoff im Körper geht, steht meist das Hämoglobin im Rampenlicht. Es sitzt in den roten Blutkörperchen und bringt Sauerstoff aus der Lunge in alle Ecken des Körpers. Ohne Hämoglobin gäbe es keine Ausdauer, keinen klaren Kopf, keine körperliche Leistung. Doch während Hämoglobin für den weiten Transport verantwortlich ist, passiert die eigentliche Arbeit am Zielort durch einen anderen – weniger bekannten, aber enorm wichtigen - Akteur: Myoglobin.

Myoglobin ist ein Verwandter des Hämoglobins, und es sitzt fast ausschließlich in der Muskulatur – vor allem dort, wo regelmäßig gearbeitet wird: im Herzen, in der Zwerchfellmuskulatur und in der Skelettmuskulatur von Ausdauerathlet:innen. Wenn Hämoglobin der Schnellzug ist, der den Sauerstoff von Stadt zu Stadt bringt, dann ist Myoglobin der kleine Lieferwagen, der direkt bis zur Haustür fährt. Es hat nur eine einzige Sauerstoffbindungsstelle, dafür aber eine sehr hohe Affinität zu diesem Molekül. Kommt Sauerstoff aus dem Blut im Muskelgewebe an, zieht Myoglobin ihn regelrecht an sich. Es speichert den Sauerstoff lokal, ganz in der Nähe der Mitochondrien – also dort, wo Sauerstoff und Nährstoffe in Energie umgewandelt werden.

Diese Funktion ist besonders dann entscheidend, wenn sich die Belastung plötzlich ändert: Du startest in den Sprint, tauchst unter Wasser, steigst schnell eine Treppe hoch. In diesen Momenten braucht der Muskel sofort mehr Sauerstoff – aber Atmung und Herz-Kreislauf-System reagieren mit Verzögerung. Genau hier springt Myoglobin ein. Es gibt seinen gespeicherten Sauerstoff sofort ab und überbrückt die ersten Sekunden der Mehrbelastung. So bleibt die Energieversorgung stabil, bis der Nachschub aus der Lunge ankommt.

Wie effizient dieses System sein kann, sieht man besonders deutlich bei Tieren, die lange unter Wasser bleiben. Wale, Robben oder Pinguine verfügen über eine extrem hohe Konzentration von Myoglobin in ihrer Muskulatur – so hoch, dass ihre Muskeln fast schwarz erscheinen. Sie tragen ihren Sauerstoffvorrat direkt in der Muskulatur mit sich herum und können dadurch viele Minuten ohne Atemzug auskommen. Beim Menschen ist dieser Effekt zwar deutlich kleiner, aber das Grundprinzip bleibt dasselbe: Gut trainierte Muskulatur kann Sauerstoff besser aufnehmen, zwischenspeichern und bei Bedarf schnell nutzen.

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Wichtig dabei: Man kann die Muskulatur nicht einfach mit Sauerstoff „aufladen“, wie es oft missverständlich dargestellt wird – etwa durch tiefe Atmung oder Hyperventilation. Die Fähigkeit, Sauerstoff in der Muskulatur zwischenzuspeichern, hängt direkt mit dem Gehalt an Myoglobin zusammen. Und dieser Gehalt lässt sich nicht durch Atemübungen alleine erhöhen. Es braucht Training – und zwar gezieltes, regelmäßiges Training, das die Muskeln fordert, ohne sie zu überfordern.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das sogenannte Okklusionstraining, etwa durch Kaatsu-Bänder. Dabei wird der venöse Rückfluss aus der Muskulatur vorübergehend eingeschränkt, wodurch ein starker Trainingsreiz mit vergleichsweise geringer mechanischer Belastung entsteht. Studien zeigen, dass dies – ähnlich wie hypoxisches Training – die Kapillardichte, den mitochondrialen Stoffwechsel und auch die Myoglobindichte in der Muskulatur positiv beeinflussen kann. Ebenso interessant: Methoden der reduzierten Atmung, wie sie im Apnoetauchen oder in bestimmten Atemtherapien eingesetzt werden, erhöhen zwar nicht den Sauerstoffspeicher direkt, aber sie verbessern die CO₂-Toleranz – ein entscheidender Faktor für die Steuerung der Atmung und das subjektive Atemverhalten unter Belastung.

Wenn du übrigens muskuläres Training – idealerweise auch in hypoxischen oder okklusiven Settings – mit Methoden der reduzierten Atmung kombinierst, spielst du beide Systeme miteinander ein: Die Muskulatur lernt, Sauerstoff effizienter zu speichern und zu nutzen, während dein Atemzentrum und dein Nervensystem lernen, mit steigendem CO₂ gelassener umzugehen. Das Ergebnis ist nicht einfach „mehr Luft“, sondern ein Körper, der mit weniger Sauerstoff länger leistungsfähig bleibt und ein Kopf, der unter Atemreiz ruhig bleibt, statt in Stress und Überatmung zu kippen.

Du profitierst doppelt: Auf der einen Seite verbessern sich Kapillardichte, mitochondrialer Stoffwechsel und Myoglobingehalt – deine Muskeln werden also zu echten Ausdauerorganen –, auf der anderen Seite sinkt deine subjektive Atemnot bei Belastung, weil du steigende CO₂-Werte besser tolerierst und deine Atmung bewusster steuern kannst. Gerade für Freediver, Ausdauersportler oder Menschen mit eingeschränkter Lungenfunktion entsteht so ein klarer Vorteil: Du brauchst weniger mechanische Gesamtbelastung, um starke Trainingsreize zu setzen, schützt Gelenke und Herz-Kreislauf-System – und gewinnst trotzdem spürbar an Leistungsfähigkeit, Sicherheit und innerer Ruhe unter Druck. Kurz gesagt: Du trainierst nicht nur „mehr“, sondern intelligenter, indem du Muskulatur und Atemregulation als zusammengehöriges System begreifst und genau so auch behandelst.

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Im Alltag zeigt sich die Funktion von Myoglobin eher indirekt. Muskeln mit hohem Myoglobingehalt wirken rötlicher, bei Tieren spricht man von „rotem Fleisch“. In der medizinischen Diagnostik wird Myoglobin eher dann sichtbar, wenn etwas schiefläuft – zum Beispiel bei Muskelverletzungen, extremen Überlastungen oder bestimmten Erkrankungen. Dann kann Myoglobin aus zerstörten Muskelzellen ins Blut und weiter in den Urin gelangen – ein Warnsignal, das Ärzt:innen ernst nehmen.

Für dich als sportlich aktiven Menschen, ob im Alltag, im Training oder im Freizeitsport, zählt aber vor allem eines: Myoglobin macht dich leistungsfähiger – nicht durch spektakuläre Effekte, sondern durch stille, aber entscheidende Unterstützung in genau den Momenten, in denen dein Körper schnell reagieren muss. Es hilft dir, Belastungswechsel besser zu verkraften, die ersten Sekunden eines Sprints zu überstehen, länger ohne Atemnot auszukommen und dich schneller zu erholen.

Hämoglobin und Myoglobin arbeiten im Zusammenspiel. Der eine bringt den Sauerstoff in den Muskel, der andere sorgt dafür, dass er dort im entscheidenden Moment zur Verfügung steht. Wer seine Ausdauer trainiert, trainiert deshalb nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern auch die Muskulatur selbst – bis auf molekulare Ebene. Studien zeigen, dass gut trainierte Muskeln mehr Myoglobin einlagern können. Das zeigt sich ganz praktisch: Du erholst dich schneller, deine Muskulatur brennt später, du kannst unter Belastung länger ruhig atmen.

Es braucht dafür keine Spezialmethoden, keine teuren Geräte und keine Extreme. Es braucht regelmäßige, klug dosierte Bewegung – idealerweise mehrere Male pro Woche. Belastungen, bei denen du noch sprechen kannst, gemischt mit kurzen intensiveren Phasen, in denen dein Körper spürt: Jetzt wird’s ernst. Dazu guter Schlaf, sinnvolle Ernährung und – wenn du mit Atemtechniken oder intensiven Trainingsformen arbeitest – ärztliche oder therapeutische Begleitung.

Myoglobin ist ein eher unsichtbarer Spezialist im Hintergrund. Aber er entscheidet mit darüber, wie elegant du mit Belastungsspitzen umgehst und wie lang deine Muskeln durchhalten, wenn’s wirklich zählt. Und beim nächsten Mal, wenn du keuchst, denk dran: Das Hämoglobin bringt gerade Nachschub – und tief in deinen Muskeln sorgt ein kleiner Verwandter dafür, dass aus Sauerstoff echte Leistung wird.

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